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Hier gibt’s was auf die Øhren

Längst sind CDs – rechtsgerichtete Leuten nennen sie auch „Silberlinge“, weil es so schön deutsch klingt, und vermutlich ihr Microsoft Word-Rechtschreibprogramm hier keine rote Fehlermarkierung anzeigt – zu multimedialen Datenträgern geworden. Auf CDs Daten kopieren oder vorinstallierte Programme runterladen ist klar, Musik hören sowieso und Literatur anhören ist neuerdings der letzte Schrei.

Gehen wir mal davon aus, dass dieser Trend daher kommt, dass die Leute viel unterwegs sind und fast überall eine CD-Player zur Verfügung haben– klingt natürlich besser, als wenn man die Behauptung aufstellen würde, dass jedes Buch inzwischen auch als HörBuch im Handel erhältlich ist, weil immer weniger Menschen lesen können. Hier könnte sich eigentlich der Kreis zu den Dumpfbacken-Nazis und ihren „Silberlingen“ eigentlich wieder schließen, aber ich wollte eigentlich einen ganz anderen Kreis zeichnen.
Nämlich den, von drei unterschiedlichen CDs, die von Musik mit Literatur, oder umgekehrt, bzw. nur von Literatur handeln:
Na gut, zuerst die Literatur ohne Musik: „Thomas Kapielski; Abstehende Röhren“. Kapielski lesen mag ja schon vergnüglich sein, aber sich seine kruden Geschichten von ihm vorlesen zu lassen ist auch nicht schlecht. Vielleicht lässt sich bei diesem Projekt auch eher sagen, dass es sich hierbei um ein Buch mit zwei CDs handelt. Die Einleitung im Buch ist natürlich nicht auf der CD – hier muss der Konsument auch schon mal selber lesen, wenn es z.B. beginnt mit: „Also hör’n Se mal!“ Für Fans ist dieses Relikt ein unbedingtes Muss, und Geschichten wie „Lippenstülptüte“ oder „Beim Film“ sind ja auch schon fast Klassiker – oder spätestens jetzt auf den Weg dahin welche zu werden. Das Booklet dient der Kommentierung der Hörstücke, und wer Technik mittels eines Computers beherrscht, dem zeigt die zweite CD noch Bilder, Film-Schnipsel usw., weil die „Abstehenden Röhren“ im Untertitel auch heißen: „Mitlesung bei Anhörung mit Abbildungen und Filmchen von Thomas Kapielski“. Wunderbar. Die einzige wirkliche Nervenprobe stellt sich bei dem knapp 13minütigen „Werwiewas ist Kapielski“, welches als Endlos-Tape konzipiert worden ist und hier nun die technischen Grenzen einer CD offenbart – zum Glück, vielleicht.
Das nächste Hörstück ist auch Literatur, aber diesmal gesungen: B. Traven – Hommage an einen deutschen Anarchisten. Eine ambitioniertes und sehr interessantes Projekt. B. Traven, jener geheimnisumwitterter Schriftsteller, der mit so bekannten „Abenteuer“-Romanen wie „Das Totenschiff“, „Der Schatz der Sierra Madre“ oder „Die Rebellion der Gehenkten“ bekannt wurde. Hinter dem Pseudonym B. Traven (eines von mehreren) soll sich der Schauspieler, Anarchist und Herausgeber der Zeitschrift „Der Ziegelbrennen“ Ret Marut verbergen, der nach der Münchener Räterepublik von 1919 nach Chiapas floh und sich dort als mexikanischer „National“-Autor etablierte. Nach seinem Tode 1969 wurde seine Asche aus einem Flugzeug über Chiapas verstreut. Seine Biographie hielt er für seine Privatangelegenheit, welche bis heute viel Platz für Spekulationen offen hält. Nun hat sich eine illustre Schar aus MusikerInnen der Indipendent-Szene verschiedener Stilrichtungen an die Texte von B. Traven gemacht und vertont. Von jazzig bis Punk, von elektronisch bis simples Trommeln als Hintergrund für die Texte. Mit dabei sind u.a. Peter-Paul Zahl (wohl der einzige Nicht-Musiker), Der wahre Heino, Die Kassierer, Ziska Riemann oder Lucy van Org mit der Gruppe Estonia u.a. Ein Sampler nicht nur für B.Traven-Fans.
Und zum Schluss eher die klassische Hörspielvariante: Edgar Allan Poe „Die schwarze Katze“ mit Anna Thalbach, Ulrich Pleitgen u.v.a. Diese „special edition“ (speziell, weil gekürzt), gab es als Gimmick (also Reklame) für die zweite Ausgabe (2/2004) der Zeitschrift „bücher. Das Magazin zum Lesen“. Dies ist eine Art Bild-Zeitung unter den neuen Büchermagazinen und kostet 3,80 Euro. Also für die CD hat sich das schon gelohnt. Ansonsten werden hier Bücher, die in den sogenannten Kultur-Kaufhäusern Stapelware sind rauf und runter besprochen. Selten findet man hier Bücher aus kleineren Verlagen – nicht mal interessante Bücher aus großen Verlagen. So scheut sich der Chefredakteur Christian Jürgens auch nicht, sich grinsend auf Seite zwei ablichten, und unter seinem Konterfei die Stimmen Prominenter KritikerInnen zu seinem ersten Heft abdrucken zu lassen. Die letzte, die einzige kritische von neun Kommentaren, hat mir dann auch am Besten gefallen: „Kein Magazin ist so schlecht gemacht wie „bücher“. 3 Euro 80 teurer blanker Blödsinn. Knud Cordsen, SDR 2 Hörfunk, Berufskritiker“. Dem könnte ich mich anschließen, was das erste Heft betraf, denn da gab es ja noch nicht die E.A.Poe-CD dabei (die sich unheimlich gut neben der Lou Reed-CD macht). Allerdings muss hier auch eine Warnung ausgesprochen werden: KatzenfreundInnen sollten sich dies nicht antun, und wenn sollten sie starke Nerven haben.
Tja, wer nicht lesen will soll hören, sonst gibt’s was auf die Øhren, wie meine amerikanische Bekannte so charmant sagt.

Jochen Knoblauch

Thomas Kapielski; Abstehende Röhren / Zweitausendeins Frankfurt a.M. 2002 / 2 CD’s / mit 46 S. Booklet / 15 Euro
www.zweitausendeins.de

B. Traven – Homage an einen deutschen Anarchisten. Nàwáo Berlin e.V. / Kramer Verlag Berlin / September 2003 / 16 S. Booklet / Für den Plattenhandel läuft der Vertrieb über Trikont, für den Buchhandel über den Karin Kramer Verlag/ 15 Euro
www.karin-kramer-verlag.de
www.btraven.com

Edgar Allan Poe; Die schwarze Katze (spezial edition) Lübbe Audio. Hier als 37minütige Sonderausgabe als Beilage der Zeitschrift „bücher – Das Magazin zum Lesen Nr. 2/2004“ / VVA-Kommunikation GmbH Essen / 128 Hochglanzseiten / 3,80 Euro
www.buecher-magazin.de

| 24.02.04 08:38 | Permalink