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telegraph #109 erschienen

„Die Zeiten haben sich geändert“. „Wir müssen den Gürtel enger schnallen“.
Jetzt, 14 Jahre nach dem Ende der DDR, werden wohl auch die Letzten erfahren, was es heißt, in einem wiedervereinigten, kapitalistischen Deutschland zu leben. Mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und der Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes macht die Bundesregierung Hunderttausende von Arbeitslosen zu Sozialhilfeempfängern. Gleichzeitig wird die Sozialhilfe gesenkt. Viele Rentner werden in Zukunft nicht mehr als Sozialhilfe haben. Für Zahnersatz und Krankengeld soll selbst aufgekommen werden, Studiengebühren und Kindergartenplatzgebühren werden steigen – ebenfalls steigen Managergehälter und Rüstungsausgaben, eine Vermögenssteuer ist Tabu.

Die Illusion vom Sozialstaat BRD löst sich mehr und mehr in der Realität eines Dienstleistungsunternehmens für Kapitaleigentümer auf.

„Wir müssen jetzt den Gürtel enger schnallen“ - WARUM?
Die Massenarbeitslosigkeit ist nicht das Produkt „unbezahlbarer Löhne“, sondern das Ergebnis der Steigerung der Arbeitsproduktivität (Mittels immer weniger Arbeitskräfte, bei immer geringeren Lohnkosten immer mehr Gewinn herauszuholen) - der Profitgier des Kapitals.
Wenn die Einen (z.B. 7 Millionen Arbeitslose) nichts einzahlen können und die Anderen (z.B. Konzerne wie DaimlerChrysler und Siemens) nichts einzahlen müssen – war es da nicht lange klar, dass die Kassen irgendwann einmal leer sind? Vielleicht war das sogar beabsichtigt.

„Die Zeiten haben sich geändert“ Ja, die Zeiten, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, sind günstig.
Die „Reformen“ bedeuten Übergang zu Billiglöhnen, bereiten Lohnsenkungen den Weg und höhlen Tarifverträge und den Kündigungsschutz aus.
All dass wird von Sozialdemokraten und Grünen vorangetrieben, die durch ihr Klientel einen wirksamen gewerkschaftlichen Widerstand von Beginn an neutralisierten. Eine parlamentarische „Alternative“ existiert nicht. Die PDS zeigt auf Kommunalebene dass sie der Sozialdemokratischen Partei, dem Original aus dem Westen, in nichts nachsteht.
Die Abkehr von den großen Parteien bei den Kommunalwahlen in Brandenburg und die Teilnahme von 100.000 Demonstranten am 1. November 2003 in Berlin sind erste kleine Anzeichen von Widerstand. In vielen Köpfen ist jedoch das Wort Sozialismus nicht mehr als eine Episode in einer TV-Nostalgieshow. Nur wenn sich das ändert, wird sich wieder etwas bewegen.

Wohlstand für alle sagt die Redaktion telegraph

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A.S.H. | 21.11.03 21:06 | Permalink