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Der Ebbelwoi-Babbler Heinz Schenk ist verstummt

von Jürgen Schneider

Heinz Schenk ist Pop, Pop, der sich offen populär äußert. Das lässt sich, in dessen Dialekt gesprochen, „dorch ka geisdreiche Diskusjone oder sunstwelsche Uffgereeschtheide aus de Welt schaffe“. Schenks TV-Sendung, in der er zwischen 1966 und 1987 an der Seite von Lia Wöhr, seiner »Fraa Werddin«, 208 mal den hessisch babbelnden Oberkellner des mobilen und nur als Kulisse existierenden Ebbelwoi-Lokals »Zum Blauen Bock« gab, zog bis zu 20 Millionen Zuschauer in den Bann, eine Zahl, von der die deutschtümelnden Quotengutheißer nur träumen können.
Als der Karnevalverein Dieburg Heinz Schenk im Jahre 2002 mit der »Holzisch Ladern« auszeichnete, die an Persönlichkeiten verliehen wird, denen „irgendwie e Licht uffgegange is“, hieß es in der Laudatio, die Sendung »Zum Blauen Bock« sei in der „DDR“ (ja, da war es wieder, das Gänsefüßchenland) so beliebt gewesen, dass selbst Betriebskampfgruppen ihre Zusammenkünfte verlegt hätten, wenn die volkstümliche Gute-Laune-Sendung über den Bildschirm flimmerte. Das Schenksche Motto war stets: „Inner Welt is so viel Elend, soll ich da auch noch auf die Tränendrüse drücke?“ Erst am 30. Januar 1974 begegneten die SED-Kulturpolitiker dem „totalitären Freizeitkapitalismus“ (Robert Kurz) mit der Erstausstrahlung des Glotze-Grauens »Oberhofer Bauernmarkt«: »Schunkelanimation statt Fröhlichkeit – alles, wovor sich der Gebildete ekelt.« (Michael Rudolf)

1999 verlieh der Hessische Ministerpräsident Roland Koch, durch den gerade der Rassismus zum parlamentarischen Mainstream avanciert und der Begriff Kaschmirhooligan geboren war, dem agilen Fossil der Fernsehunterhaltung den Verdienstorden des Landes Hessen. Das lag aber nicht daran, dass Heinz Schenk in seinem »Blauen Bock« stets ohne „Neger“ ausgekommen war, wie die Pappschilder mit Text im „Fachjargon“ genannt werden. „Wenn ich einen ‚Neger’ in der Sendung gehabt habe, dann Roberto Blanco oder Billy Mo“, so Heinz Schenk einst vor Journalisten in Frankfurt. In den frühen 1990er Jahren hatten Linksradikale eine sog. „Heinz-Schenk-Debatte“ geführt, die sich um Autonomenkritik und Organisation drehte. Und selbst Bootlegger ehrten Schenks „easy-listening folk music“ (vgl. The Kraftwerk FAQ) und benannten den frühen Kraftwerk-Track „Rückstoss Gondoliere“ ruckzuck um in „Vor dem blauen Bock“.

Hatte Schenk zu Zeiten von Ludwig „Wohlstand-für-alle“-Erhard an der Seite von Werner Wörle (alias Frau Blasewitz) bei der Wiesbadener Narrenzunft als Kurstadt-Dame Frau von Zitzewitz für Furore gesorgt, war er später in der Ära Kohl in deutschen Landen fast so bekannt wie das Mobbelsche aus Oggersheim: 96 Prozent aller Deutschen kannten den TV-Wirt, 98 Prozent den Kanzler. Und wie dieser „Lumbbeseckel“ (wie die Frankfurter Schnauze Kohl gerne titulierte) ist Schenk „von de eebsch Rhein-Seit“ – er kam in der Fastnachtshochburg Mainz zur Welt. Als „Meenzer Bub“ funktionierte er einst den Beichtstuhl im Mainzer Dom zum Kasperletheater um. Der Bischof war not amused.

In einem südhessischen Blatt war einmal zu lesen: „Ja, merr kennd mit Fug und Recht behaupde, dass unser hessisch Sproach maßgeblisch in de Ebbelwoi-Werdschafte entstanne is.“ Schenk wurde in seiner TV-Gastwirtschaft zum obersten Sprachpfleger des Hessischen, obwohl er selbst sein Gebabbel als „Pidgeon-Hessisch“ bezeichnet. Die Rockcombo Rodgau Monotones, einst Hessens Antwort auf das Liedgut, das ein Niedecken erbrach, ehrte Schenk mit dem Lied „Die Hesse komme“. Darin finden sich die mit Ach und Krach gereimten Zeilen: „Da packt euch das kalte Grausen (uuääh) / Unser David Bowie heißt Heinz Schenk. / Hallo ihr Kulturbanausen / Seht die Sache einfach nicht so eng.“ Auch der Erfolg des Frankfurter Kalauer-Duos Badesalz oder der eines Matthias Beltz wäre ohne die beliebten „Bosse“ (also Possen) ihres Vorgängers Heinz Schenk kaum möglich gewesen.

Am Morgen des 1. Mai ist Heinz Schenk im Alter von 89 Jahren in Wiesbaden gestorben.
Ihm zu Ehren sollten sämtliche Folgen des „Blauen Bock“ erneut werden, selbstverständlich zur Prime Time, damit wir erneut goutieren können, wie der „heilisch Heinz“ die von ihm selbst geknittelten Verse anpries und die dickbäuchigen, graublauen Steingutkrüge verschenkte: „Herr Bürschermeisder, darf isch ihne n Bembel überreiche?“

A.S.H. | 01.05.14 17:23 | Permalink