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Nord Stream in Lubmin – Verarschung erfolgreich

Die geostrategische Pipeline ist in (Ost-)Deutschland angelandet. Deshalb gab es am 8. November eine große Party für kleine Leute, alle durften für's Foto mal am Rad drehen.
Gerhard Schröder („Ich-sag-mal“-Ex-Bundeskanzler, Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats des Pipeline-Konsortiums NEGP Company, später umbenannt in Nord Stream AG (51% Gazprom), Mitglied des dreiköpfigen Direktoriums des russisch-britischen Ölkonzerns TNK-BP) im Jahr 2006:
„Ich hoffe ich kann einen positiven Beitrag leisten und damit auch ein bißchen was tun, für eine Region, äh, die mir auch am Herzen liegt.“ (s. dlf-Radiobeitrag vom 8. Nov.: „Lubmin vor der Pipeline-Party“)
Mit solchen Sprechblasen sollen die kleinen Möchtegerne vor Ort, die angepaßten und ängstlichen Lokalpolitiker und ihre Verwaltungen eingetütet werden, da man deren Unterstützung und Ja-Wort braucht, um das eigene Vorhaben konfliktlos durchzuziehen.

Das Lullaby fürs dumme Volk: „Versorgungssicherheit!“. Nennen wir‘s beim Namen: Profitsicherheit!

So wird ein Projekt dann auch zur großen Hoffnung der Landesregierung und kommunaler Politiker „ … weil es eben neben Tourismus und Naturschutz nur Abwanderung und kaum Arbeitsplätze in dem Landstrich gibt …“. Eine Realitätsprüfung findet dann nicht mehr statt und ist auch nicht gewollt, fünf Jahre Illusion, Selbstverarschung und Lüge ist besser.

Eine Lubminerin: „ Ich sag mal, man kann ja wieso nichts ändern, ist ja alles schon genehmigt, wat hier hochkommt und alles…“

So landet die Pipeline gleich neben den Castoren mit Atommüll an. Im Zwischenlager Nord, welches ursprünglich nur für schwach-, mittel- und hochradioaktive Stoffe aus den beiden stillgelegten Atomkraftwerken der DDR in Lubmin und Rheinsberg gebaut worden war (so wurde damals den Untertanen mitgeteilt), wird inzwischen längst auch aus anderen Bundesländern strahlender Müll abgestellt.

2.500 Mann haben an der Fertigstellung der Pipeline gearbeitet, die meisten waren nur angelernte Billigkräfte. Die sind nun alle wieder arbeitslos. Etliche darunter träumten noch einmal von der „Erdgastrasse“. (s. zwei Dokumentarfilme: 1. DEFA von 1976 2. rbb von 2006)

Nord Stream soll sich auch stark in Lubmin engagiert haben – so wurde jedenfalls öffentlich deklariert, um die Stimmung, trotz der Verschandelung der Landschaft, positiv zu stimmen: Laptops für die Kita, Sponsoring für den Fußballclub.

Ein Lubminer: „Wenn das für uns gut ist, daß wir Gas geliefert bekommen, dann müssen wir damit leben!“

Prädikat „Besonders zuvorkommend“: Am 23. April 2010 zogen die Umweltverbände WWF, BUND und NABU ihre Klage gegen den Bau zurück, nachdem sich Nord Stream verpflichtete, zehn Millionen Euro (also etwa das Jahresgehalt eines Konzernvorstandsmitglieds) in eine gemeinsame Ostseestiftung zu finanzieren. Toll.

Ein Lubminer (ohne Ironie!): „Für uns hier in Lubmin – wir haben da nichts Direktes von, aber für ganz Deutschland – klasse Sache!“.

Schröder und Co., Nord-Stream, Gazprom, Wintershall, E.on u.a. haben ihre Pipeline durchgesetzt: Millionengewinn für ihn und Milliardengewinne für die Konzerne sind für die nächsten 20 Jahre gesichert. Dringlichkeit alternativer Energien? – Aufgeschoben.

Auch für die Region, die Schröder so am Herzen liegt, ist ein wirtschaftlicher Aufschwung deutlich spürbar. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) versucht es mit Autosuggestion: am Industrie- und Energiestandort Lubmin seien Wirtschaftskraft und zukunftsfähige Arbeitsplätze entstanden.

Auch Petra Hintze, Geschäftsführerin der IHK Neubrandenburg, gerät ins Schwärmen. Das Großprojekt habe in Mecklenburg-Vorpommern "enorme Auswirkungen" auf die lokale Wirtschaft gehabt.

Diesen großen Erfolg für die Region werden die Regionalpolitiker sicherlich ausgelassen feiern. Die Anlage mit Rohren, Pumpen etc. wird gewiß viele neue Feriengäste in diesen Landstrich am Greifswalder Bodden ziehen.

Ein wirklich erfolgreiches Projekt, welches viele Nachahmungen in anderen Regionen finden wird.

Die Anlande- und Gasübernahmestation in Lubmin hat viele neue Arbeitsplätze für die Region geschaffen, nämlich: 12!!!
Wie bitte?
In Worten: Zwölf!!!

Ach ja, noch ein kleiner Nachtrag: Der Gewinn von Gazprom lag 2010 bei 23,8 Milliarden Euro!

david | 12.11.11 16:19 | Permalink