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Satter Blick zurück

“Berlin-Paris – Die Geschichte der Beate Klarsfeld”, Regie: Hanna Laura Klar

Von Angelika Nguyen

In dem Dokumentarfilm blickt Beate Klarsfeld, Jahrgang 1939, auf ihr Leben zurück. Jene Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann Serge berühmt wurde für ihre Hartnäckigkeit beim Aufspüren versteckter Altnazis und mit der Ohrfeige im Jahre 1968 für den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger.

Klarsfeld bezeichnet im Film diese Ohrfeige als Umweg, um damals Publicity für die Nazivergangenheit Kiesingers zu bekommen. Das ist ihr gelungen. Kiesingers Rolle im Naziregime wurde ein Thema in den Medien, das es zuvor nicht gewesen war.

Das ist einerseits sehr erfreulich. Andererseits ist die starre Verehrung Klarfelds, die als Attitüde den gesamten Film bestimmt, problematisch.

Regisseurin Hanna Laura Klar bleibt nicht hinter, sondern bezeichnender Weise vor der Kamera und folgt der Protagonistin wie einer von Klarsfelds Hunden auf Schritt und Tritt. Die Äußerungen von Beate Klarsfeld werden statt als O-Ton schon manchmal wie Kommentare benutzt. Die lässige Privatheit zwischen Frau Klarsfeld und Frau Klar, ihr Freundinnen - Schlurfen über Wiesen und Straßen stört.

Da sind auch die Preisverleihungen: Georg Elser Preis in Deutschland, Ritter und Offizier der Ehrenlegion in Frankreich, Tapferkeitsmedaille der Ghettokämpfer in Israel. Klarsfeld wird gefeiert, in den Reden, in den Zeitungsausschnitten, im Rückblick zur berühmten Ohrfeige, in der Eigentumswohnung von Venedig. Die Selbstzufriedenheit der Szene ist als Gala zu spüren, als die Sonntagsreden zur Georg-Elser-Preisverleihung gehalten werden. Küsschen hier und Küsschen da.

Deutsche Eitelkeiten bestimmen die Interviews.: Andrea von Bethmann fällt mit Zwischenrufen und eigenen Okkupationen Frau Klarsfeld schon mal ins Wort, Herr Arno Widmann erzählt großspurig eine eher unspannende Geschichte seiner Mutter, Frau Gesine Lötzsch nickt im Berliner Kino Babylon mit leerem Lächeln und sieht lieber auf ihren Fragezettel statt auf Frau Klarsfeld. Das wirkt dann so, als wollten die Leute nicht wirklich mit Frau Klarsfeld in Kontakt treten, sondern als würden sie sich in den Scheinwerfern mitsonnen wollen.

Widersprüche aufzuspüren, das Denkmal zu unterlaufen oder zu verlebendigen, wäre spannender gewesen. Arno Klarsfeld, der Sohn, unterstützt beispielsweise in einer Zuarbeit “die Würdigung der Kolonialvergangenheit Frankreichs” und ist Berater des Premiers Sarkozy. Das lässt der Film so durchgehen.

Es ist schade, dass die im Film allerorts zu spürende Arriviertheit der einstigen Widerstandskämpfer der Bundesrepublik deren eigentliche Leistungen beinahe vergessen lässt – auch die deutsche Kontinuität von Nazitätern in Amt und Würden, gegen die sie so leidenschaftlich gekämpft haben.
Selbstlob ist manchmal ganz unverbrämt. So vergisst Beate Klarsfeld in ihrer Dankesrede für den Georg-Elser-Preis nicht mitzuteilen, dass die Wahl Willi Brandts zum Bundeskanzler auch mit ihrer Hilfe zustande gekommen sei. Peinlich ist der Moment, als sie in Frankfurt eine zufällige Passantin auf sich aufmerksam macht: “Ich bin Beate Klarsfeld, die mit der Ohrfeige, erkennen Sie mich noch?”

Die einst so skandalöse Ohrfeige ist zum Denkmal für Mut und Widerstand gegen das damalige Establishment geronnen. Der Zorn von einst ist einer gewissen Sattheit gewichen. Widerspruchslos feiert das der Film. Das macht ihn ein bisschen langweilig.
Zeitdokument ist der Film allemal, erzählt er doch - unbeabsichtigt - ein Stück Generationsgeschichte: Die 68er Töchter und Söhne sind zufriedene Eltern geworden.

A.S.H. | 07.09.11 18:43 | Permalink