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Street View und die Digitale Umweltverschmutzung

Gestern startet der neuartige Kartendienst Google Street View auch in Deutschland. Sehr komfortabel lässt sich in diesem Zusatzdienst des Online-Atlas Maps durch die Panorama-Ansichten von öffentlichen Straßen und Plätzen navigieren. Das hat einen gewissen Unterhaltungswert und ist praktisch, beispielsweise bei der Urlaubsvorbereitung oder der Wohnungssuche. Auf der „Fahrt“ durch mehrere deutsche Städte begegnen dem Nutzer jedoch zahlreiche schmutzig-graue Flächen auf den Panoramabildern von Street View. Hier wehren sich offensichtlich einzelne deutsche Bürger gegen die öffentliche Abbildung der Gebäude, in denen sie wohnen oder arbeiten. Sie haben gegenüber Google durchgesetzt, dass die abgebildeten Häuser verpixelt dargestellt werden müssen.
Ist das nun blöde Maschinenstürmerei von Technikfeinden, sind es Spießer die ihr Eigentum bedroht sehen oder etwas übereifrige „Datenschützer“? Wer weiß das schon.
Schade, Spaß und Nutzwert werden durch diese digitale Umweltverschmutzung des abgebildeten öffentlichen Raums für viele Internetnutzer auf jeden Fall stark eingeschränkt.

Berlin - Street View früher:

westberlin.jpg
Stadtplan Hauptstadt der DDR. Westberlin als weiße Fläche, unbewohntes Gebiet also, aber gut mit einer S-Bahn erschlossen und durch Übergangsstellen zugänglich. VEB Tourist Verlag 1988. (Quelle)


Berlin - Street View heute. Bundesgeschäftsstelle Bündnis 90/DIE GRÜNEN:


Größere Kartenansicht

Übrigens ist die Manipulation kartographischen Materials kein neues Problem ;)

Sowjetische Kartographie

Nach der Oktoberrevolution und dem folgenden Bürgerkrieg erhielt die Kartographie in der 1922 gegründeten Sowjetunion einen hohen Stellenwert; Wladimir I. Lenin erließ Dekrete zu Geodäsie und Kartographie und deren Organisationsformen. In den dreißiger Jahren übernahm jedoch die Geheimpolizei die Kontrolle über kartographische Institutionen und Produkte.

Stalin ordnet Geheimhaltung an

Bald danach erfolgten auf Anordnung von Joseph Stalin die strenge Geheimhaltung von Karten und die Verfälschung von Inhalten der noch zugänglichen Karten. In der Regel gänzlich geheim gehalten waren bis zum Ende der Sowjetunion topographische Karten mit Maßstäben ab dem Maßstab 1:1 Million. Somit war auch die Internationale Weltkarte (IWK) im Maßstab 1:1 Million geheim. Dieses Kartenwerk wurde – seit der Veranlassung durch den deutschen Geographen Albrecht Penck im Jahre 1890 – für das Festland unserer Erde in internationaler Zusammenarbeit hergestellt und war in den meisten Staaten zugänglich. Die Internationale Weltkarte war nach dem Zweiten Weltkrieg auch in den von der Sowjetunion abhängigen Staaten Verschlusssache und stand somit – trotz des kleinen Maßstabs und somit in absurder Weise – nur den Herrschenden zur Verfügung.

DDR

In der DDR wurde unter Verlagskartographie der Bereich der Kartenproduktion verstanden, der Karten für die Öffentlichkeit herstellte, die über den Buchhandel vertrieben wurden. Die Verlagskartographie unterstand seit 1964 dem Ministerium für Kultur. Diese Produkte waren Atlanten und Karten für den Tourismus. Auch hier waren Manipulationen und Verfälschungen des Karteninhalts die Regel. So fehlten in diesen Produkten nicht nur militärische Einrichtungen und jene der Staatsicherheit, sondern auch Industrie- und Eisenbahnanlagen wurden zumindest stark vereinfacht dargestellt. Ab 1967 erhielten Stadtpläne durch einen gleitenden Maßstab Verzerrungen, die keine Streckenmessungen zuließen. Überdies fehlten Maßstabsleisten und der numerische Maßstab war allenfalls als Zirka-Angabe angegeben. Nach 1961 wurde in Stadtplänen der Hauptstadt der DDR das besondere politische Gebiet Westberlin als nicht besiedeltes Gebiet abgebildet. Für Tourismuskarten mussten die Blattschnitte so verändert werden, dass die Staatsgrenze und grenznahe Gebiete nicht mehr Inhalt der Karten waren. Wanderkarten waren inhaltsarm und wiesen Verzerrungen auf. Diese mangelnde Qualität führte oftmals zu Beschwerden der Kartenbenutzer.

Aus Kurt Brunner: Im Dienst der Sowjetmacht. Geheimhaltung und Verfälschung von Karten in UdSSR und DDR in „Die Macht der Karten oder: was man mit Karten machen kann“

A.S.H. | 19.11.10 16:09 | Permalink