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2. Arabisches Filmfestival

Vom 3. 11. bis 11.11.2010 in Berlin

Kino politischer Emotionen
von Angelika Nguyen

Der Erfolg des ersten Arabischen Filmfestivals 2009 begründete seine Fortsetzung in diesem Jahr. Gezeigt werden Filme aus arabischen Ländern oder mit arabischem Thema, die nicht älter als drei Jahre sind.

Dem so genannten Nahostkonflikt und seinem Trauma für die 1948 vertriebenen Palästinenser verbunden ist ein erschütternder Dokumentarfilm “To Shoot An Elephant” über den jüngsten Gazakrieg, der im Programm läuft. Was unter dem israelischen Codewort “Gegossenes Blei” im Gazastreifen an Leid, Tod, Zerstörung den dort lebenden und eingeschlossenenen Palästinensern geschah, konkretisiert der Film mit einer unermüdlichen Handkamera, in Abwesenheit jeden Kommentars und ohne Musik. Dabei ist der Blick des Films vor allem auf die Tätigkeit der Ambulanzen und notärtzlichen Dienste gerichtet. Eine neue Nakba nennen die palästinensischen Bewohner aus dem Gazastreifen diesen Krieg. Nakba: Synonym für die Vertreibung der Palästinenser, für die erzwungene Migration.

Fortsetzung findet die Wahl eines Themenspecials für das Festival, genannt FOKUS, sein diesjähriges Thema: Migration. Migration ist eine in der arabischen Welt tiefe traumatische Erfahrung. Ob als Folge des libanesischen Bürgerkriegs 1958 oder der Gründung des Staates Israel für den einst arabisch bewohnten Ort Jaffa oder französischer Unterdrückung Algeriens -erzwungene Migration hat das Leben von Millionen von Arabern umgestürzt und bis in die nachfolgenden Generationen gewirkt. Das macht der radikal subjektive Film “1958” deutlich, der im FOKUS läuft. In einer dichten Mischung aus Dokumentarfilm, Spielfilm, poetischem Monolog erkunden die Filmemacher das Rätsel der Entwurzelung durch Migration. Autobiographisch erscheint einer der Filmemacher als Regisseur und Protagonist zugleich. Schon die Sprache, die er spricht, erzählt seine Geschichte: er spricht Französisch im Off, Arabisch mit seiner Mutter im Interview. In der aktuellen medialen Diskussion in Deutschland um Integration verstehen die Festivalmacher sich mit dem Fokus auf Migration auch als Wortmelder - aus arabischer Sicht.

Andererseits können Menschen, die ihre Heimat verlassen, auch Hoffnung damit verbinden, die Aussicht, ein altes Leben hinter sich zu lassen. Das setzt große Energien frei. Damit befasst sich ein anderer Film der FOKUS-Reihe, “Harragas” , der in französischer Koproduktion entstand. Erzählt wird in starker unsentimentaler Bildsprache von den lebensgefährlichen Risiken, die die “Harragas”, die Emigranten aus der arabischen Region und Nordafrika eingehen, um ins gelobte Europa zu kommen.

Noch immer werden besonders von Europa aus arabische Länder als sehr homogen wahrgenommen. So liegt dem Festival daran, mit den sehr verschiedenen Filmen die Unterschiede in dieser Region nahe zu bringen: mentale, geschichtliche, kulturelle.

Es geht wieder ums Kennenlernen. Eine solch vertrauenssbildende Maßnahme ist die Auswahl des Eröffnungfilms “Time That Remains”. In ihm wird Hebräisch gesprochen und Arabisch. Sein Ton ist ein ganz eigener unter den anderen ernsten Sujets: skurill, humorvoll, mit einer befreienden Leichtigkeit, aber auch brutalen Elementen, überführt er Feindbilder und Ideologien.

Mit welchem Stil oder Sujet auch immer: die Emotionen sind immer stark und sind, aus solch konfliktreicher Region kommend, auch immer politisch. Das zeigt uns das Arabische Filmfestival dieses Jahr erneut.

A.S.H. | 04.11.10 12:51 | Permalink