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Ein U-Boot auf dem Baldeneysee

von Jürgen Schneider

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fotos © uta baatz

Wie der Irak auf Öl, so treibt seit ein paar Tagen auf dem zwischen sanften Hügel ausgebreiteten Baldeneysee, einem Stausee, der Naherholungsgebiet und Wassersportparadies des Ruhrgebietes ist, eine U-Boot-Nachbildung des Künstlers Andreas W. Kaufmann und des Medienwissenschaftlers Hans-Ulrich Reck. Symbolisch wird unsere Freiheit so nicht nur am Hindukusch, sondern auch an der Ruhr verteidigt. Das 18 Meter lange Kunstwerk wurde am 3. Mai 2010 von der Meidericher Schiffswerft in Duisburg zum Stausee geschoben. Ab Essen-Kettwig begleitete ein für Medienvertreter reserviertes Schiff der Weissen Flotte Baldeney den dunkelgrauen Schiffskörper die Ruhr stromaufwärts. Auf dem Baldeneysee findet die Endmontage statt, erhält der Turm des U-Bootes seine Spitze. Bei einer Gesamthöhe von 6,50 Meter hätte das U-Boot nicht durch die Ruhrschleusen gepasst.

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Das U-Boot ist eines der schwimmenden Werke, die auf dem Baldeneysee im Rahmen des Projekts »Ruhr-Atoll – Kunst, Wissenschaft, Energie« vom 12. Mai bis Mitte Oktober 2010 zu sehen sein werden. Zu den weiteren Werken gehören das »Projekt zum Schutz der natürlichen Ressourcen«, eine Wasseraufbereitungsanlage der russischen Künstler Ilya und Emilia Kabakov, ein Teehaus des in Kassel lebenden Japaners Kazuo Katase und des Architekten Michael Wilkens sowie die künstlerisch-wissenschaftliche Anordnung »ICEBERG« des Künstlers Andreas Kaiser und des Polarforschers Lars Kindermann. Ab Juni wird zudem ein Rettungsring der Künstlerin C.U. Frank eine natürliche Schwemmlandinsel auf der Ruhr umschließen.

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Mit dem U-Boot werden der militärische Neoliberalismus und die Kriege um die fossilen Energien und deren mediale Vermittlung thematisiert. Aus den Außenwänden von dessen Turm, der im Originalmaßstab der »Idaho«-Bootsklasse der US-Marine nachgebaut ist, wurde der Kantsche Satz »Ich kann, weil ich will, was ich muss« herausgeschnitten, mit dem Kant die moralische Autonomie des Subjekts unterstrich. Die durch das Herausschneiden entstandenen Turm-›Fenster‹ werden durch 8000 CNN-Nachrichtenbilder zum Thema Energie und Krieg um Ressourcen ausgefüllt und, so die Künstler, »eine Wirkung entfalten, wie sie von gotischen Kirchenfenstern vertraut ist«.

Das U-Boot, das während der Ausstellungszeit per Tretboot zu erreichen sein wird, treibt in unmittelbarer Nähe der Villa Hügel, dem einstigen Sitz der Familie Krupp. Schon im 19. Jahrhundert waren die Krupps als »Kanonenkönige« gefeiert worden. Der Kruppsche Stahlkonzern diente dem Kaiser und den Nazis als »Waffenschmiede des Reiches« und wurde zum größten Rüstungslieferanten für die faschistischen Kriegsziele.

Die ersten U-Boote wurden von Krupp bereits 1904 gebaut. Später war dem Deutschen Reich laut Versailler Vertrag der Bau von U-Booten verboten. Dieses Verbot wurde allerdings durch die Tarnorganisation Ingenieurskantoor voor Scheepsbouw in den Niederlanden unter Beteiligung von Krupp unterlaufen. Während des Faschismus wurden auf der Kruppschen Germaniawerft unter Einsatz von Zwangsarbeitern 131 U-Boote gebaut. Auf der aktuellen Website von ThyssenKrupp Marine Systems findet sich unter der Überschrift »Jede eine Klasse für sich - die erfolgreichen U-Boote« das Eigenlob: »Kaum eine andere Werft hat mehr Erfahrung in der Konstruktion und dem Bau von nichtnuklearen U-Booten als die Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW). HDW ist Partner der Deutschen Marine und hat bislang Unterwasserboote für den Küsten- und Hochseeeinsatz auch an die Marinen von 16 weiteren Ländern weltweit geliefert.« Zu diesen Ländern gehört Griechenland. Wie die »Financial Times Deutschland« (FTD) berichtete, willigte die griechische Regierung Ende März ein, dem deutschen Rüstungskonzern ThyssenKrupp ausstehende 300 Mio. Euro für vier bestellte U-Boote zu bezahlen. Und bestellte für eine weitere Milliarde gleich noch zwei weitere der deutschen Hightech-Schiffe dazu. Die Regierung in Athen sei von der deutschen Bundesregierung dazu gezwungen worden. Ohne den U-Boot-Deal hätten Merkel & Co. dem EU-Rettungspaket für Griechenland nicht zugestimmt. Wie die »FTD« weiter berichtete, sei die pakistanische Armee interessiert, Griechenland die ThyssenKrupp-U-Boote abzunehmen.


Ruhr-Atoll, auf dem Baldeneysee, Essen, 13. Mai bis Oktober 2010
Eröffnung am 12. Mai 2010 um 17 Uhr

www.ruhr-atoll.de

A.S.H. | 09.05.10 12:23 | Permalink