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Belfast: Angriff auf die Journalistin Suzanne Breen

Von Jürgen Schneider

Am 27. April 2009 erhielt die Belfaster Korrespondentin der in Dublin erscheinenden Zeitung »Sunday Tribune« Besuch von einem Polizeibeamten des Police Service of Northern Ireland (PSNI). Der forderte sie auf, ihre Computer und Telefone, Speichermedien sowie sämtliche Unterlagen, die im Zusammenhang stehen mit zwei Artikeln, die sie über die Real IRA geschrieben habe, binnen drei Tagen dem PSNI zu übergeben. Komme sie dieser Aufforderung nicht nach, werde der PSNI unter Berufung auf die Anti-Terror-Gesetze eine richterliche Anordnung erwirken. Breen drohen bei Weigerung, die gewünschten »Beweismittel« herauszugeben, bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Nachdem in der nordirischen Grafschaft Antrim im März zwei britische Soldaten erschossen worden waren, hatte Suzanne Breen beim Einkaufen in einem Supermarkt einen Anruf bekommen, in dem sich die Real IRA, eine Abspaltung der IRA, unter Nennung von Code-Wörtern zu diesem tödlichen Anschlag bekannt hatte. Breen hatte darüber berichtet und später mit einem Sprecher der Real IRA ein Interview geführt, in dem sich die Organisation zur Erschießung von Denis Donaldson bekannt hatte. Donaldson hatte zwanzig Jahre lang für die britischen und nordirischen Geheimdienste gearbeitet. Der hochrangige Funktionär der nationalistischen Partei Sinn Féin war enger Berater des Parteipräsidenten Gerry Adams und Freund des IRA-Kämpfers Bobby Sands, der 1981 im Hungerstreik starb. Donaldson war 2006 in einer abgelegenen Bauernkate in der irischen Grafschaft Donegal Opfer der irisch-republikanischen Maxime »Informanten werden erschossen« geworden.

Einige Zeit nach dem Anschlag der Real IRA in der Grafschaft Antrim berichtete der »Belfast Telegraph«, der einstige Schlächterbursche und IRA-Kommandant Martin McGuinness, der heute als Sinn Féin-Politiker Stellvertretender Erster Minister von Nordirland ist, habe sich über »dissidente Journalisten« ereifert, die der Real IRA mehr Aufmerksamkeit schenkten als er es für notwendig erachte und die »diesen Leuten« Beistand leisteten. McGuinness setzt damit eine Politik fort, die schon seine Vorgänger verfolgt haben, indem sie den bekannten Ausspruch der Eisernen Lady Magret Thatcher umzusetzen versuchten, man müsse den politischen Gewalttätern den Sauerstoff der Publizität entziehen. Seine einstigen Genossen, die sog. »dissidenten Republikaner«, die in der Real IRA oder in der Continuity IRA organisiert sind, bezeichnete McGuinness als »Verräter«.

Suzanne Breen erklärte in einem langen Artikel in der »Sunday Tribune« (3. Mai 2009), warum sie nicht ihr Leben aufs Spiel setzen werde, um den Job der PSNI zu machen. »Es ist Aufgabe der Polizei, die für diese Taten Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. Die Informationen, die ich über die beiden Anschläge habe, wurden in dieser Zeitung veröffentlicht. Sie sind in der öffentlichen Domäne.« Breen führte weiter aus, die Polizei werde in bestimmten Fällen tätig, während sie andere geflissentlich ignoriere. Als Beispiel nannte sie unter anderem ein Interview, dass sie einst mit Mitgliedern der loyalistischen Terrorgang Ulster Defence Association (UDA) geführt hat. Diese hätten sich gebrüstet, den Katholiken Mickey Edwards neben seiner Frau im Ehebett erschossen zu haben. Edwards sechs Kinder waren ins Zimmer gerannt und hatten ihren Vater angefleht, nicht zu sterben. Breen schrieb, sie sei wegen dieses Interviews nie von der Polizei kontaktiert worden. Und auch nicht, als sie 1993 für die »Irish Times « Mitglieder der UDA aus deren »Inner Council« interviewte. Diese hatten irische Regierungspolitiker und führende Politiker der nordirischen Social Democratic Labour Party (SDLP) zu »legitimen Anriffszielen« erklärt.

Vor zehn Jahren, so Breen weiter, sei allerdings ihr Vorgänger Ed Moloney von dem PSNI ins Visier genommen worden. Moloney hatte sich geweigert, seine Aufzeichnungen über das UDA-Mitglied Billy Stobie herauszugeben. Stobie stand im Verdacht, den Rechtsanwalt Pat Finucane ermordet zu haben. Moloney musste lange juristische Auseinandersetzungen führen, um Recht zu bekommen.

Am 12. Mai 2009 hat ein Belfaster Richter erklärt, er sei geneigt, dem Ersuchen des PSNI stattzugeben und Breen zu zwingen, der Polizei die gewünschten Materialien auszuhändigen. Breen dürfe nun binnen einer Woche ihre Position darlegen. Die gerichtliche Anhörung eines Polizeibeamten hatte »geheim« stattgefunden. Weder Suzanne Breen noch ihre Verteidigung durften der Sitzung beiwohnen und werden wohl auch nicht erfahren, was der Polizeibeamte vortrug.

Breen betonte vor dem Gerichtsgebäude noch einmal, sie werde an ihrem journalistischen Ethos festhalten und sich der Herausgabe der Materialien widersetzen.

Ihre Zeitung, Kolleginnen und Kollegen anderer irischer wie nordirischer Zeitungen, die National Union of Journalists (NUJ) sowie auch die SDLP haben sich hinter Suzanne Breen gestellt. Die stellvertretende Generalsekretärin der NUJ, Michelle Stanistreet erklärte: »Die NUJ kann auf eine lange Geschichte der Unterstützung von Journalisten zurückblicken, die von einem Arm des Staates wegen des Schutzes ihrer Quellen bedroht werden. Wir erklären unser völlig solidarisch mit Suzanne und fordern alle Mitglieder auf, die Kampagne zu ihrer Verteidigung zu unterstützen.« Die NUJ bittet, Solidaritätsadressen für Suzanne Breen zu senden (protectsources@nuj.ie.).

A.S.H. | 13.05.09 15:13 | Permalink