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Brüsseler DOMINO

aus Brüssel von Jürgen Schneider

Bei dem von AB Concerts in Brüssel vom 8. bis zum 14. April 2009 veranstalteten DOMINO-Festival # 13 sollen vor allem musikalische Neuerer aus den Bereichen Electro, Pop und Rock präsentiert werden. In früheren Jahren traten hier Gruppen auf wie Sigur Rós oder LCD Soundsystem, bevor sie es zu internationalem Ansehen brachten.

Der gestrige Festival-Auftakt konnte sich hören lassen. Dem gerade mal 28 Lenze zählenden Komponisten, Pianisten und Electro-Soundbastler Jon Hopkins aus London, der das letzte Album von Coldplay mitproduzierte und Anfang Mai seine dritte CD mit dem Titel »Insides« vorlegt, kam die schwere Aufgabe zu, das Festival zu eröffnen. Hopkins Soundtracks bewegten sich souverän zwischen Ambient, Aphex Twin- und Autechre-Anleihen, und sein Auftritt hätte nichts verloren, wenn er auf die belanglos-poppigen Video-Animationen eines Vince Collins verzichtet hätte.

Fennesz (d. i. der Wiener Christian Fennesz) ist durch seinen Mix aus Samples, am Laptop generierten Sounds und verzerrten E-Gitarrenklängen bekannt geworden. Sein jüngstes Album trägt den Titel »Black Sea«. Das französische Magazin »Trax« nannte es »un album d’ambient liquide parcouru de vagues spasmodiques«. Wie sich gestern zeigte, klingen Fennesz’ Versuche, Klanglandschaften zu generieren, Texturen, die sich zwischen Krach und Schönklang bewegen, live härter. Fennesz, der seine musikalische Karriere in Rockbands begann, arbeitete weiter daran, seiner E-Gitarre bislang unbekannte Töne zu entlocken, und ließ sein Soundgewitter melodiös ausklingen.

Anders als in Deutschland genießt der Isländer Jóhann Jóhannsson in Belgien längst Kultstatus. Jóhannsson ist Komponist für Theater und Film, Musiker der sich an Krautrockgruppen seligen Angedenkens orientierenden Band APPARAT ORGAN QUARTET sowie der Düsterrockgruppe EVIL MADNESS und darüber hinaus Solomusiker, der sich zwischen Electro und Klassik bewegt und als Einfluß Purcell, Händel, Bach, Vivaldi, aber auch Reich, Pärt, Górecki und Lucier nennt.

Die jüngste seiner bislang fünf Solo-CDs trägt den Titel »Fordlândia« und gilt dem gescheiterten Versuch des Autoherstellers Henry Ford, im brasilianischen Amazonasgebiet in großem Stil Kautschuk zu produzieren. Die CD ist Teil einer Trilogie über Technologie und US-amerikanische Industrie-Ikonen. Teil 1 hieß »IBM 1401, a user’s manual«.
In Brüssel trat Jóhannsson mit einem Electro-Tüftler-Kollegen sowie mit einem vierköpfigen Streicherensemble auf und präsentierte Musik, die sich als Kammermusik für das 21. Jahrhundert bezeichnen lässt. Brillant ließ er etwa über einen vorwärts treibenden Basslauf zunächst zarte Orgelklänge erklingen und dann sein Streicherensemble einsetzen. Wie die Musiker der isländischen Band Sigur Rós versucht er bewusst, eine emotionale Verbindung zu seinen Zuhörern herzustellen. Und wie deren Klängen ist Jóhannssons Kompositionen eine gewisse Melancholie eigen. Jóhannsson bestreitet allerdings, dass seine Musik etwas mit der von Feen bevölkerten Landschaft Islands zu tun habe. Vielmehr geht es ihm mit seiner Musik darum, innere Landschaften zu schaffen, verbunden mit der Hoffnung, dass seine Stücke eine kathartische Wirkung haben mögen.

Das DOMINO-Festival geht weiter:
09.04.09
Squarepusher + Venetian Snares + Tim Exile + Voodoo Trance Sound System
10.04.09
A Certain Ratio + Blk Jks + Hudson Mohawke + Rustie + Disko Drunkards
11.04.09
Nico Muhly + Xela + Svarte Greiner
12.04.09
Mono + Health + Handsome Furs + Tiny Masters of Today
13.04.09
The Notwist + Grampall Jookabox + Woods
14.04.09
The Whitest Boy Alive + Micachu and The Shapes + The Invisible + The New Wine

Ort: AB Concerts, Anspachlaan 110, Brüssel
www.abconcerts.be

A.S.H. | 11.04.09 14:13 | Permalink