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- und seine Grenzen.
Von Sebastian Gerhardt
Die eilige, wenn auch nicht ganz planmäßig erfolgte Einigung zwischen Regierung und der Führung des US-Kongreß über eine Übernahme fauler Wertpapiere (Troubled Asset Relief Programme) durch das US-Finanzministerium konnte nicht überraschen. Denn außerhalb des Parlamentes gab es praktisch keinen organisierten Widerstand gegen die Sozialhilfe für das Großkapital. Wohl sind am letzten Donnerstag in gut einem Dutzend Städten in den USA Leute einem Aufruf von Gewerkschaften und Verbraucherschutzorganisationen folgend auf die Straße gezogen, um gegen die Milliarden für die Großen der Finanzbranche zu protestieren. Aber selbst in der Millionenstadt New York zählte der AfL-CIO gerade mal "über tausend Gewerkschafter und andere Aktivisten".
Und die prominenten Redner – Jesse Jackson in Washington oder AfL-CIO-Chef John Sweeney in New York – forderten nicht etwa die Verstaatlichung von Wall Street, sondern lediglich Änderungen am Regierungsplan und einige Ergänzungen: unabhängige öffentliche Kontrolle der eingesetzten Mittel, Nutzung aller finanziellen und gesetzlichen Möglichkeiten zur Verhinderung von Zwangsversteigerungen und zur Umschuldung von lohnabhängigen Familien, ein neues Programm zur Stützung der Konjunktur und schließlich eine strengere Regulierung des Finanzsektors. Schon zuvor hatten sich die Ökonomen des gewerkschaftsnahen Economic Policy Institute (www.epi.org) durchaus positiv auf die Pläne der Demokraten im US-Kongreß bezogen. Eine prinzipielle Alternative zum offiziellen "bail out"-Plan sahen sie nicht. Die US-Gewerkschaften mobilisieren für den Sieg von Barack Obama. Der aber hat erklärt, dem Plan zuzustimmen.
Der nun vorliegende Gesetzestext ist zwar von drei auf über 100 Seiten angewachsen, die Forderungen der Gewerkschaften haben aber keinen Platz gefunden. Die wichtigsten Änderungen betreffen eine weitergehende parlamentarische Kontrolle des Verfahrens, umfangreiche Informationspflichten des US-Finanzministeriums und einige Möglichkeiten, den Finanzsektor an den entstehenden Kosten vielleicht zu beteiligen. Die Hilfe für Hypothekenschuldner beschränkt sich auf die bereits bestehenden Programme und einige, kaum umsetzbare Absichtserklärungen. Kein Wort über eine Börsenumsatzsteuer. Nur für den wahrscheinlichen Fall, daß das Programm nach dem Verkauf der übernommenen Wertpapiere durch das Finanzministerium einen Verlust aufweisen sollte, muß der Präsident der USA dem Kongreß einen Vorschlag zur Deckung des Verlustes unterbreiten. Es sollen dazu die Unternehmen herangezogen werden, die vom Programm profitierten. Aber das erst in fünf Jahren, d.h. nach der nächsten Präsidentschaftswahl. Und wie der Kongreß dann über diesen Vorschlag entscheidet, ist seine Sache.
Auch von einer Re-Regulierung des Finanzsektors findet sich im Gesetz keine Spur. Die einzige aktuelle Änderung erleichtert den Finanzriesen vielmehr ihre Öffentlichkeitsarbeit: Die US-Börsenaufsicht soll die Verpflichtung zur bilanziellen Bewertung von Wertpapieren nach Marktpreisen einschränken oder aufheben können. Die bisherige Vorschrift hatte den Wall Street Bankern nicht wenig Kopfzerbrechen gemacht, mußten sie doch die Wertpapiere in ihrem Bestand mit den fallenden Börsenkursen kurzfristig abschreiben und so die eingetretenen Verluste veröffentlichen. Nun dürfen sie offiziell etwas mehr Kosmetik betreiben – eine passende Vorschrift in einem Gesetz, das ihnen höhere staatliche Preise für ihren "Giftmüll" verspricht. Zwar werden die Handlungen des US-Finanzministeriums einer ziemlich gründlichen Kontrolle unterworfen – von einer entsprechenden Kontrolle der Finanzunternehmen, die ihre faulen Wertpapiere loswerden wollen, ist aber nicht die Rede. Selbst die Beschränkung der Managergehälter in den teilnehmenden Unternehmen ist konditioniert und alles andere als streng: Nicht mehr als 500 000 Dollar pro Jahr und Manager sind von der Steuer abzusetzen, für Sonderzulagen aus dem Gewinn nach Steuern gibt es keine Grenze.
Ein anderes Gesetz mit strengeren Auflagen würde aber auch schwerlich seinen Zweck erfüllen. Denn das "Vertrauen der Märkte" soll wiederhergestellt werden. US-Regierung und Parlament wollen den Glauben an die Erfolge des Kapitals stärken – und nicht etwa die Möglichkeiten für Profite einschränken. Tatsächlich ist es nicht so, daß die US-Großunternehmen schlecht verdienen. Nach Angaben der Financial Times (23.09.2008) saßen allein die im S&P 500 Index gelisteten Firmen Ende Juni diesen Jahres auf einer Kriegskasse von 648 Milliarden Dollar in Cash oder kurzfristigen Forderungen. Aber solange das Gespenst der Krise umgeht, gehen die reichen Gläubiger auf Nummer sicher und investieren lieber in Staatsschuldpapiere, statt in die Privatgeschäfte ihrer Klassengenossen: Soll doch das Finanzministerium Risiken eingehen, sie nicht. Sie wollen überleben und am Ende die guten Stücke einkaufen.
Ein ähnliches Problem gibt es auch diesseits des Atlantik. Wohl fanden sich eine Reihe privater Banken bereit, um der Münchener Bank "Hypo Real Estate" einen Milliardenkredit zukommen zu lassen, doch sie sicherten sich dabei eine Bürgschaft der öffentlichen Hand, über die allerdings im Haushaltsausschuß des Bundestages noch entschieden werden muß. Im Falle des Benelux-Finanzkonzerns Fortis sahen Belgien, die Niederlande und Luxemburg sogar nur die Möglichkeit einer Teilverstaatlichung. Fortis hatte sich wohl mit bei der Übernahme der ABN-Amro im wahrsten Sinne des Wortes übernommen und braucht nun frische Mittel für einen geordneten Rückzug aus diesem Abenteuer. Schließlich ist in Großbritannien die Hypothekenbank Bradford&Bingley verstaatlicht worden. Aber auch hier verlieren nicht alle: Das Geschäft mit den Spareinlagen von B&B geht an die spanische Santander Bank.
Sebastian Gerhardt | 29.09.08 16:43 | Permalink