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Hungerstreik gegen rassistische Sonderbehandlung in Frankfurt (Oder)

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Ben, ein Streikender Flüchtling ist verbittert über die Situation. Foto: Alexander Roßbach

von Kamil Majchrzak

Anfang Februar blockierten mehr als 20 Flüchtlinge das Einfahrtstor zum Asylheims in Frankfurt (Oder). Sie lehnten es kollektiv ab für den aktuellen Monat Bezugscheine abzuholen und traten in den Hungerstreik. Damit protestieren sie gegen den Gutscheinzwang und die intransparente Politik des Sozialamtes bei der Vergabe sog. Kontoblätter. In der Kleiststadt an der Oder dürfen MigrantInnen die Gutscheine nur in einer Frankfurter REAL-Filiale umtauschen. „Wir fühlen uns dabei wie Kriminelle, es ist erniedrigend und führt immer wieder zu Irritationen an der Kasse“ erzählt verbittert Ben aus Sierra Leone, der sich am Streik beteiligt.

AsylbwerberInnen die sich weniger als 36 Monate in Deutschland aufhalten haben laut Asylbewerberleistungsgesetz pro Monat Anspruch auf einen Gutschein im Wert von 158,- EUR. Diesen dürfen sie nur gegen Lebensmittel umtauschen. Eine Vegetation auf Raten mit System, damit trotz ständig sinkender Asylbewerberzahlen, die angebliche Attraktivität Deutschlands als Migrations-Zielland abnimmt.

Die Blockade wurde ohne viel Aufsehen in der Öffentlichkeit durch die Polizei aufgelöst. Das Sozialamt forderte die Flüchtlinge anschließend auf, innerhalb von 3-Tagen einen Antrag zu stellen in dem sie begründen warum sie Bargeld statt Gutscheine bekommen möchten. Eine Antwort darauf wird am Mittwoch erwartet. Bis dahin ist der Hungerstreik ausgesetzt.

Der Streit um die Gutscheine eskalierte bereits Anfang des Jahres als damit der Einkauf von Telefonkarten in der Supermarktkette REAL nicht mehr möglich war.

Herr Bönke, Geschäftsleiter des Frankfurter REAL-Marktes wollte dazu -sichtbar erregt- keinen Kommentar abgeben und verwies auf die Federführung beim Sozialamt. Er erklärte jedoch „Ich möchte jedem Kunden das verkaufen was er will.“ Es scheint als ob der Supermarkt vom Sozialamt angewiesen wurde, Gutscheine exklusiv nur gegen Lebensmittel umzutauschen.
„Wir brauchen doch das Bargeld nicht nur um günstiger einkaufen zu können, sondern auch weil wir afrikanische Produkte essen möchten und den Kontakt zu unseren Familien zu pflegen“ erzählt Ben.
Frau Klim vom Sozialamt lässt sich dadurch nicht beeindrucken: „die gegenwärtige Praxis ist richtig, die Gutscheine sind nur für Lebensmittel und nicht für Telefonkarten da, außerdem gibt’s da auch asiatisches“. Diese Praxis führte bereits Ende Januar zu einem Protest der MigrantInnen vor dem Real in Frankfurt (Oder).

Aber auch die Praxis des Sozialamts scheint nicht konsistent zu sein. Viele Flüchtlinge, die längst Anspruch auf Bargeld haben, bekommen immer noch die verhassten Bezugsscheine. Diese Praxis ist nicht nachvollziehbar und diskriminierend erzählt Antje Simnack vom Utopia e. V. Der Verein bietet Asylberatung an und organisiert einen antirassistischen Gutschein-Umtausch bei dem FrankfurterInnen ihre eigenen Einkäufe mit den Gutscheinen der AsylberwerberInnen bezahlen können.

Auf Intervention der Ausländerbeauftragten Frau Margit Steuer wurde jüngst das Verbot Telefonkarten an AsylbewerberInnen zu verkaufen aufgehoben. Sie verspricht auch eine baldige Abschaffung der Gutscheine.
Bis Mittwoch warten die Flüchtlinge auf eine Lösung des Konfliktes. Sie fordern die völlige Abschaffung der Sonderbehandlung durch das Gutscheinsystem. Falls ihre Forderungen nicht erfüllt werden, sind sie entschlossen wieder in den Hungerstreik zu treten.

Michal Stachura | 05.03.07 12:13 | Permalink