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"Lula ist Meister im Vertuschen"

Mord an Abweichler der Arbeiterpartei?
--von Klaus Hart, Rio de Janeiro--
Der 83-jährige Jurist Helio Bicudo aus Sao Paulo, Mitgründer der Arbeiterpartei PT und einer der angesehensten Menschenrechtsaktivisten Brasiliens, hat in einem Interview bekräftigt, daß Staatschef Lula von den Details der jetzt bekanntgewordenen Korruptionsskandale gewußt hat. Laut Bicudo war Lula de facto stets Chef der PT und arbeitete zentralistisch. "Er ist Meister darin, Schmutz unter den Teppich zu kehren, zu verstecken - stets agierte er auf diese Weise."

Bicudo erinnerte zudem an den bis heute ungeklärten Mord von 2002 an Celso Daniel, einem der angesehensten PT-Führer, der das progressive dem PT-Bürgermeister der Großstadt Santo Andrè bei Sao Paulo. Die Arbeiterpartei habe die Tat als gewöhnliches Verbrechen charakterisiert. „Ich stimme dem nicht zu. Celso wurde eliminiert – entweder weil er mit der Korruption in der Administration von Santo Andrè nicht einverstanden war oder weil er die Vorgänge stoppen wollte.“ Daniels Bruder hatte erklärt, mit Bestechungsgeldern, die von Transportunternehmen stammten, seien Wahlkampagnen der PT finanziert worden. Das Geld sei in Koffern zum Kabinett des damaligen Kongreßabgeordneten Josè Dirceu geschafft worden - lange Zeit rechte Hand Lulas. Als außerordentlich mysteriös gilt die Tatsache, daß sechs Personen, die in irgendeiner Beziehung zu Celso Daniel oder zu der Tat standen, unter bis heute ungeklärten Umständen ermordet worden sind. Der Kongreßabgeordnete Roberto Jefferson, der mit seinen Enthüllungen den jüngsten Korrruptionsskandal ins Rollen gebracht hatte, sieht ebenfalls politische Motive für den Mord an Daniel, einem der beliebtesten, als absolut integer geltenden PT-Führungsmitglieder.
Wie Jurist Bicudo weiter betonte, sei ab 1998 von der PT-Führung, inclusive Lula, definitiv der Weg verfolgt worden, politische Macht um jeden Preis zu erringen. Laut Bicudo existieren bereits genügend Fakten, die ein Amtsenthebungsverfahren gegen Lula rechtfertigen.
--auch Kirche warnte Lula—
Nicht nur die Parteilinke, sondern auch die Sozialbewegungen und die befreiungstheologisch orientierte katholische Kirche Brasiliens haben den Ex-Arbeiterführer Luis Inacio Lula da Silva bereits im Präsidentschaftswahlkampf von 2002 eindringlich vor verhängnisvollen Bündnissen mit berüchtigten Politikern rechtskonservativer Parteien gewarnt. Jayme Chemello, seinerzeit Präsident der Bischofskonferenz(CNBB), erinnerte jetzt daran, Lula persönlich von desaströsen Allianzen abgeraten zu haben. „Ich nannte Lula die Namen all jener Politiker, die keinerlei Glaubwürdigkeit besitzen“, betonte Chemello. Mehrere dieser Politiker stünden heute im Mittelpunkt der Enthüllungen, die die Regierungskrise ausgelöst hätten.
So hatte die Kirche bereits 2002 mehrfach die angestrebte Koalition von Lulas rechtssozialdemokratischer Arbeiterpartei(PT) mit der rechtskonservativen Liberalen Partei(PL) verurteilt. Damit seien erhebliche Risiken verbunden – zudem könne sich die von einer großen Sektenkirche dominierte PL dann in entscheidende Landesfragen einmischen. Lulas Arbeiterpartei, hieß es 2002, verlasse generell progressive Positionen, tendiere nach rechts. Doch Lula bestand auf dem Bündnis, machte den Milliardär und Großunternehmer Josè Alencar von der PL sogar zu seinem Vize. Waldemar Rossi und andere populäre Führer der katholischen Arbeiterseelsorge argumentierten, Alencar habe die Militärdiktatur unterstützt und deklariere sich als Feind der Landlosenbewegung MST. In dessen Textilfabriken herrschten skandalöse archaische Zustände, Furcht vor Repressalien und Entlassung. Die Arbeiter würden extrem schlecht bezahlt.
Die Kirche warnte Lula auch vor Roberto Jefferson, zwielichtiger Chef der rechtsgerichteten PTB. Er hatte 1992 den tiefkorrupten, per Impeachment abgesetzten früheren Staatspräsidenten Fernando Collor de Mello bis zuletzt unterstützt. Doch Lula paktierte mit der PTB, nannte Jefferson gar seinen „Freund und Genossen“. Ausgerechnet Jefferson löste vor drei Monaten mit seinen Enthüllungen die Korruptionskrise aus.
Auch seit dem Amtsantritt 2003 war Lula zudem immer wieder von der Kirche auf unsaubere Machenschaften hingewiesen worden. Lula solle endlich eine großangelegte Kampagne gegen die überbordende Korruption starten. „Die Situation wird immer gravierender – gestraft werden dadurch vor allem die Armen.“
Auch in Europa gingen 2002/2003 solche Analysen jedoch in dem aus wirtschaftlichen und politischen Gründen künstlich inszenierten Lula-Jubel unter.
Die Sozialistische Internationale und und ihre Mitgliedsparteien lobten Lula seinerzeit über alle Maßen. „Lula ist ein wahrer Sozialdemokrat“, erklärte Frankreichs Sozialistenführer Francoise Hollande, „die PT hat ihren Platz in der SI, wird ihr nützlich sein.“ Großbritanniens Botschafter Roger Bone betonte in Brasilia:“Lula und Blair haben annähernd die gleiche Ideologie.“ Auf Anfrage teilte die PT-Führung damals mit, zu den deutschen Sozialdemokraten die engsten Beziehungen zu pflegen. Lula hatte vier Wochen nach seinem Amtsantritt noch im Januar 2003 Deutschland als erstes europäisches Land besucht und sich in Berlin unter anderem mit Bundeskanzler Schröder getroffen.

Klaus | 18.08.05 13:58 | Permalink