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Die "Neue Rechte" auf dem Siegeszug durch die bürgerliche Gesellschaft

Während RICHARD WAGNER in der Frankfurter Rundschau die Gefahr der "Junge Freiheit" verharmlost, hat er ihre diskursive Technik bereits verinnerlicht. Die "Konservative Revolution" kann damit ungestört ihren Siegesmarsch durch die intelektuellen Salons im Kampf gegen vermeintliche 'political correctness' fortsetzen.

Richard Wagner - unbedarfter geht's nimmer

Was führt uns zu dieser Erkenntnis? Nun die jüngste Kolumne des Autors in der FR. Er kolportiert darin seine Sicht der Dinge zum "Hochhuth Junge Freiheit Debakel", das jüngst auch durch die Feuilletons rauschte.

Seine Quintessenz: alles halb so wild; JF bloß Nischenpostille und Randphänomen! Was er damit meint, ist in seinen Worten: "Alles, was in der Jungen Freiheit aufs Tapet kam, von der nationalen Frage, über die Feminismushäme, das Achtundsechziger-Bashing bis hin zu Multikulti-Schelte und Verdammung des politisch Korrekten ist auch sonst reflektiert worden, und zwar ausführlicher, präziser, besser." Was aber dahinter steckt kann man nur vermuten. Was es ausdrückt ist nicht mehr und nicht weniger als die Praxis des Wegschauens der bürgerlichen Träger von Gesellschaft und Staat aus den trauten späten achtziger Jahren. Warum dagegen nicht aber mal den Spieß umdrehen? Statt die scheinbare Makellosigkeit von Leuten wie Rüdiger Safranski, Eberhard Straub und Wolfgang Templin in den Raum zu stellen und Sie vom bösen Schein der Bildung einer "rechten Phalnax" reinzuwaschen, besteht Anlass zu fragen, wie Sie zu solchen Allianzen kommen.

Und noch weitergehend darf bezweifelt werden, dass die wagnersche Diagnose im Verbund mit dem Bild einer rechten Phalanx den gegenwärtigen geschichtspoltischen und in diesem Sinne vor allem geistigen Zustand bundesdeutscher (Selbst-) Bewusstseinpolitik adäquat erfasst.
Zudem: würde bei seinen Attributen zur Reflektion eine Ortsbestimmung wie "Criticon" oder "Kalaschnikow" passen oder hat er anderes im Sinn?!

Zuletzt als Randbemerkung: Wieso die FR sowas abdruckt fragt mensch sich in Anbetracht der im Blatt grassierenden morbiden Heterogenität, etwa auch mal mit doppelt aufs Brot gestrichenem deutschen Opfer-Senf im to-be-continued-style schon geraume Zeit nicht mehr. Das die FR trotz lichter Momente oftmals den schalen Beigeschmack der Hausmitteilungen des Standorts Deutschlands zum Betriebsfrieden im großen nationalen Bündnis für Arbeit
nicht abstreifen kann, ist mittlerweile ihr dauerhaftes Merkmal.
(Beitrag von E.H.)

Aus dem Verfassungsschutzbericht 2003:
"Mitunter deuten rechtsextremistische Intelektuelle in ihren Texten extremistische Positionen nur an und sind um verbale Mäßigung bemüht, um auf diese Weise zu einer Erosion der Abgrenzung zum demokratisch-konservativen Lager beizutragen. So wollen sie ihren Positionen den Anschein von Seriosität geben und eine größere Breitenwirkung erreichen. Dazu tragen Veröffentlicheung von rechtsextremistischen und demokratischen-konservativen Autoren in gemeinsamen Sammelbänden, Verlagen oder Zeitschriften bei. Ein Beispiel dafür bietet die Wochenzeitung "Junge Freiheit" (JF). Zwar stellten sich der Zeitung auch 2003 eine Reihe namhafter demokratischer Vertreter aus Politik und Wissenschaft zu Interviews zur Verfügung. Daneben nutzten aber auch unverändert einzelne rechtsextremistische Autoren die JF als Forum. Außerdem fanden sich bei Redakteuren und Stammautoren bisweilen gängige rechtsextremistische Argumentationsmuster oder lobende Kommentare zu rechtsextremistischen Personen oder Organisationen."

Pikanter Hinweis:
Die Bundestags-Bibliothek ist Abonnement der rechtsextremen "Criticon" und "Mut" die als normale Zeitschriften, unkommentiert neben der GEO und dem Greenpeace-Magazin im Zeitschriftensaal ausliegen. Anscheinend haben beide Zeitschriften eine feste Leserschaft unter den Bundestags-Abgeordneten. Das der Verfassungsschutz die "Mut" als rechtsextrem eingestuft hat, hat man wohl beim Aufstand der Anständigen vergessen.

Mehr dazu:
CRITICON: Die "Junge Freiheit" im Zeitschriftenformat

Wenn die ‚Junge Freiheit’ das Gespräch sucht ...(Buchauszug):
Regelmäßig listet die „Junge Freiheit“ auf ihrer Interview-Seite in einer Spalte eine Vielzahl früherer Interviewpartner auf. Das dient längst nicht allein dem Zweck, Platz zu füllen. Genannt werden da beispielsweise etablierte Politiker und Politikerinnen wie Peter Gauweiler (CSU, ehemaliger bayerischer Umweltminister, jetzt Bundestagsabgeordneter), Vera Lengsfeld (Bürgerrechtlerin, ehemalige Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen, zur CDU übergetreten), Laurenz Meyer (Generalsekretär der CDU), Günter Rexrodt (FDP, ehemaliger Bundeswirtschaftsminister) Jörg Schönbohm (CDU, General a.D., Innenminister in Brandenburg), Hans Otto Solms (FDP, Bundestagsabgeordneter) oder Christoph Zöpel (SPD, ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär im Außenministerium, Bundestagsabgeordneter). Auch schmückt man sich mit den Namen bekannter Fernseh-Journalisten wie Peter Scholl-Latour, Gerhard Löwenthal und Franz Alt, Schriftstellern wie Rolf Hochhuth und Ephraim Kishon, Philosophen wie Hans-Georg Gadamer und Hermann Lübbe oder auch Publizisten wie Joachim Kaiser (Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung) und Eckhardt Henscheid. Der Rabbiner Isaak Halberstadt findet sich dort ebenso aufgelistet wie Charlotte Knobloch, die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, und der renommierte israelische Militärhistoriker Martin van Creveld. (...)

So fragt man sich, was sie in einem Blatt der extremen Rechten zu suchen haben. Oder aber – unberechtigte, wie sich noch zeigen wird – Zweifel bekommen, ob die „Junge Freiheit“ vielleicht doch nicht so weit rechts außen steht wie der Ruf, der ihr seit Jahren vorauseilt. Diese Effekte der Verwunderung sind, so darf man unterstellen, seitens der Zeitungsmacher durchaus gewollt. Die so deutlich zur Schau getragene pluralistische Auswahl der Interviewpartner soll die Zeitung vom Ruch des völkischen Nationalismus frei machen. Zudem dürfte für einen Teil der Leser das Blatt dadurch auch inhaltlich attraktiver werden.

Quelle:
Wenn die ‚Junge Freiheit’ das Gespräch sucht ... (Buchauszug)

Interesante Links zum Thema:
Junge Freiheit im Verfassungsschutbericht 2003, S. 87

Innenministerium NRW: Die Neue Rechte

IDGR Lexikon Rechtsextremismus: Junge Freiheit

"Junge Freiheit"-Autoren und ihr politisches Umfeld

IDGR Lexikon Rechtsextremismus: Neue Rechte

Junge Freiheit: Protestkampagne

Neue Rechte in den Datennetzen

Michal Stachura | 17.03.05 13:45 | Permalink