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DIE AUSEINANDERSETZUNG UM DAS STRAFVERFAHREN GEGEN RUMSFELD GEHT IN DIE 2. RUNDE

[PRESSEMITTEILUNG]
NEUES VOM KAMPF GEGEN STRAFLOSIGKEIT

Am 10.03.2005 hat Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV), Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Bundesanwaltschaft vom 10.02.2005, keine Ermittlungen gegen Donald Rumsfeld u.a. einzuleiten, eingelegt. Er handelte dabei im Auftrag der Anzeigenerstatter vom US-amerikanischen Center for Constitutional Rights, der mittlerweile 17 irakischen Geschädigten und Anzeigenerstatter sowie der Organisationen Internationale Liga für Menschenrechte (FIDH) in Paris sowie der Lawyers against the War in Vancouver, Canada und des International Legal Resources Center (ILRC) in Montreal, Canada.

Mit der in Deutschland und weltweit viel beachteten Strafanzeige vom 29.11.2004 war US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gemeinsam mit weiteren militärischen und zivilen Verantwortlichen wegen der Folterstraftaten und Gefangenenmisshandlungen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe angezeigt worden. Die ihm vorgeworfenen Kriegsverbrechen sind nach dem sog. Weltrechtsprinzip gem. § 1 des Deutschen Völkerstrafgesetzbuchs in Deutschland auch dann verfolgbar, wenn weder Täter noch Opfer aus Deutschland kommen und die Taten nicht in Deutschland geschehen sind.

Der Generalbundesanwalt Kay Nehm hat am 10.02.2005, einen Tag vor der Anreise von Rumsfeld zur Münchener Sicherheitskonferenz, mitgeteilt, dass er aufgrund der Strafanzeige kein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten einleiten werde. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass im „Gesamtkomplex“ Abu Ghraib in den USA ermittelt werde. Dabei spiele es keine Rolle, gegen wen und welchen Umfang ermittelt würde. Dies müsse den Justizbehörden der Vereinigten Staaten von Amerika überlassen bleiben.

Mit der am 10.03.2005 erhobenen Gegenvorstellung wenden sich die Anzeigenerstatter erneut an die Bundesanwaltschaft und fordern diese zur Überprüfung ihrer eigenen Entscheidung auf. Der Gedanke des Internationalen Strafrechts und des Deutschen Völkerstrafgesetzbuches wird ad absurdum geführt, wenn es in Zukunft genügen sollte, dass einzelne niedrigrangige Beteiligte an Völkerrechtsverbrechen als Handlanger vor Gericht gestellt werden und die zivilen und militärischen Vorgesetzten straflos blieben. Rechtsanwalt Kaleck beruft sich zudem auf ein für dieses Verfahren erstelltes Sachverständigengutachten von Prof. Scott Horton aus New York. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass gegenwärtig keine strafrechtlichen Ermittlungen oder Verfolgungsmaßnahmen gegen Rumsfeld und die anderen Beschuldigten aus den oberen Rängen der zivilen und militärischen Befehlskette zu erwarten ist. Die Beteiligten an den Kriegsverbrechen in Abu Ghraib seien vielmehr belobigt und befördert worden. Auch werde in den USA massiv Druck auf jene Institutionen ausgeübt, die ernsthaft Aufklärung der Beteiligung von zivilen und militärischen Befehlshabern an den Kriegsverbrechen betreiben wollen.

Ebenfalls am 10.03.2005 wurde beim Oberlandesgericht in Karlsruhe beantragt, durch gerichtliche Entscheidung die Erhebung der öffentlichen Klage gegen die Beschuldigten Rumsfeld u.a. wegen Kriegsverbrechen bzw. die Aufnahme von Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft anzuordnen. Soweit bekannt, sind alle bisher von der Bundesanwaltschaft bearbeiteten Strafverfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch ohne Ermittlungen eingestellt worden. Im vorliegenden Fall wenden sich die Anzeigenerstatter erstmals an das Oberlandesgericht Karlsruhe, um zu erreichen, dass die rechtlich fehlerhafte Entscheidung der Bundesanwaltschaft im Fall Rumsfeld u. a. nicht nur von ihr selbst, sondern von einem Gericht überprüft wird. Es handelt sich hierbei um einen Präzedenzfall.

Da sich drei der zehn Beschuldigten mit ihren Militäreinheiten in Deutschland aufhalten und der Aufenthalt von weiteren Beschuldigten ebenfalls zu erwarten ist, ist die Bundesanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch einzuleiten. Dies wird in dem 85-seitigen Antrag umfangreich juristisch erläutert. Schließlich wird ebenfalls beantragt, das Verfahren im Hinblick auf ein Gutachten der Völkerrechtler Prof. Dr. Michael Bothe und Dr. Andreas Fischer-Lescano, Universität Frankfurt/Main, dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorzulegen. Da die Bundesanwaltschaft behauptet, nach dem Deutschen Völkerstrafgesetzbuch könne im Hinblick auf die völkerrechtliche Regel der Subsidarität nur dann ermittelt werden, wenn nicht in einem der vorrangig zuständigen Länder ermittelt werde, müsse das Bundesverfassungsgericht zu dieser völkerrechtlichen Vorfrage Stellung nehmen. Die Wissenschaftler kommen im Gegensatz zur Bundesanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass Ermittlungsverfahren in anderen Staaten die Bundesanwaltschaft nicht an eigenen Ermittlungen hindern, wenn vernünftige Indizien für eine Ineffektivität des Verfahrens in einem anderen Staat vorgelegt werden.

„Der Gedanke des Völkerstrafrechts muss in Deutschland erst praktisch durchgesetzt werden. Wenn die Bundesanwaltschaft als zuständige Ermitttlungsbehörde - aus welchen Gründen auch immer - vor der Einleitung von Strafverfahren gegen mächtige Menschenrechtsverletzer zurückgeschreckt, müssen deutsche Gerichte hier nachhelfen“ , so Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck in einer ersten Stellungnahme.

Der Kampf gegen die Straflosigkeit schwerster Völkerrechtsverbrechen wird auch andernorts geführt:

- Amerikanische Bürgerrechtsorganisationen verklagten Donald Rumsfeld zivilrechtlich vor dem zuständigen US-Distriktgericht im Staate Illinois wegen seiner Beteiligung an den Straftaten von Abu Ghraib im Namen irakischer Opfer auf Schadensersatz.
- Argentinische Menschenrechtsorganisationen erstatteten anlässlich seines Buenos Aires Besuches Anfang letzter Woche Strafanzeige wegen Folter und Kriegsverbrechen und bezogen sich dabei auf die in Deutschland erstattete Strafanzeige.

Weitere Materialien:
www.rav.de
www.ccr-ny.org

A.S.H. | 11.03.05 13:34 | Permalink