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Qualitätsgesicherte Folter

von Kamil Majchrzak*

Das absolute Verbot von Mißhandlungen als Kernbestand der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland ist keinesfalls selbstverständlich

Als die Folterfotos aus Abu Ghraib um die Welt gingen, lösten sie Abscheu aus. Folter ist jedoch nicht ein Nebenprodukt des Kampfes gegen den »Terrorismus«. Der gewaltsame Tod von Oury Jalloh – eines 21jährigen Asylbewerbers aus Sierra Leone in einer Polizeizelle in Dessau, dokumentiert das Selbstverständnis einer demokratischen Kultur, die sich durch Ausgrenzungsstrategien und Stigmatisierung charakterisiert.

Rechtsfreie Räume

Die Grammatik der Folter ist trivial und funktioniert überall dort, wo in Sonderräumen den Tätern Anonymität garantiert wird und ein klar umschriebenes gesellschaftliches Rollenverständnis herrscht, das sie legitimiert. Folter und unmenschliche Behandlung brauchen weder Krieg noch Gefängnisse im Irak. Durch die Schaffung rechtfreier Räume ist Folter auch in Deutschland beheimatet. Die Ausgrenzungstrategien reichen von der Stigmatisierung psychisch Kranker und behinderter Menschen bis zur sozialen Ausgrenzung von Ausländern. Schuld am Tod, des an Armen und Beinen gefesselten Oury Jalloh, der Anfang Januar in einer Polizeizelle bei lebendigem Leib verbrannte, tragen nicht nur die Polizisten, die trotz zweifacher Auslösung des Feueralarms nicht reagierten. Es ist das System, das auf Diskriminierung und Rassismus angelegt ist. Die Aushöhlung des Asylrechts und zahlreiche gesetzlich angeordnete Schikanen wie das Chipkartensystem oder die Unterbringung in Sammelunterkünften sind nichts anderes als staatlich getragener Rassismus. Die Fixierung der Flüchtlinge in sogenannten. Ruhigstellungszellen wurde in der Vergangenheit durch das Anti-Folter-Ausschuß des Europarates als Folter gerügt.

Die zunächst durch die Anwendung von Folter durch US-Truppen im Irak ausgelöste Debatte um ihre Legitimation wurde in Deutschland im vergangenen Jahr mit dem Fall Daschner und den Mißhandlungen in der Bundeswehr aktualisiert. Dabei wurde ein neuer Aspekt der Folterdebatte sichtbar: »Es war sichergestellt, daß der Polizeiarzt dabei ist, der den Auftrag hatte, uns zu sagen: ›Nein, das geht nicht – aus medizinischen Gründen‹«, erklärte Wolfgang Daschner in einem Stern-Interview. Auch im Zusammenhang mit der zwangsweisen Verabreichung von Brechmitteln als »Ermittlungsmethode«, die im Januar zum Tod von Laya-Alama Condes auf der Polizeiwache in Bremen führte, wurde das Mitwirken von Ärzten bei der Qualitätssicherung dieser Foltermethode deutlich. Für die Verabreichung der Brechmittel in Hamburg stünden – nach Angaben von Reinhard Fallak, Pressereferent des Hamburger Innenministeriums – Ärzte im rund um die Uhr geöffneten Institut für Rechtsmedizin bereit.

Das absolute Folterverbot als Kernbestand der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland ist keinesfalls selbstverständlich. Bei einem Besuch des Anti-Folter-Ausschusses des Europarats in der ZABH (Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg, früher ZASt) wurden in Ruhigstellungszellen in den Boden montierte Metallringe vorgefunden, an welche die Flüchtlinge mit gespreizten Armen und Beinen festgekettet wurden. Der Ausschuß wertete dies, in seinem im Frühjahr 2003 veröffentlichten Bericht als Verstoß gegen die Anti-Folter-Konvention und forderte Deutschland zu deren sofortiger Beseitigung auf. Die Zellen wurden nun mit Gurtsystemen ausgestattet, die auch bei Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie angewendet werden. Nach eigenen Aussagen arbeite man bei diesen Maßnahmen mit ärztlichem Personal der örtlichen Kliniken zusammen:«zwischen der ZAB und dem Krankenhaus Eisenhüttenstadt [besteht] hierzu ein Erfahrungsaustausch«, so die Antwort des Brandenburger Innenministeriums auf die kleine Anfrage des PDS-Landtagsabgeordneten Stefan Sarrach (Drs. 3/7453).

Bandagensystem

Bei mehrmaligen Besuchen von Sarrach in der Abschiebeeinrichtung stellte sich heraus, daß die vom Antifolterausschuß gerügte Vorrichtung dem baulichen Ausstattungsstandard in neuerrichteten Justizvollzugsanstalten in ganz Brandenburg entspräche. Die daraufhin im Landtag gestellte neue Anfrage an die Landesregierung zu diesem »Ausstattungsstandard« wurde Ende 2004 beantwortet. Unterdessen bekräftigte der Deutsche Ärztetag auf seiner letzten Sitzung die Ächtung der Folter: »Da die Wünsche nach Beteiligung von Ärzten an staatlichen Gewaltmaßnahmen zunehmen, sind ethisch klare Grenzziehungen auch in unserem Land besonders wichtig.«

* Der Autor ist Jurist und Mitarbeiter beim ostdeutschen Telegraph

- Prekäre Todesfälle

Seit Inkrafttreten des neuen Asylrechtes im Jahre 1993 kamen mehrere Flüchtlinge im Zusammenhang mit ihrem Asylverfahren oder prekären Zuständen der Abschiebehaft ums Leben.

* 7.1.2005: Oury Jalloh aus Sierra Leone verbrennt bei lebendigen Leibe während er mit ausgestreckten Händen und Beinen fest an seine Matratze gebunden ist

* 7.1.2005: Laya-Alama Condes – ebenfalls aus Sierra Leone – stirbt auf der Polizeiwache in Bremen, nachdem ihm zwangsweise ein Vomitivum und mehrere Liter Wasser in den Magen gepumpt wurden.

* 8.12.2000: Arumugasamy Subramaniam aus Sri Lanka erhängt sich in der JVA Hannover-Langenhagen aus Angst vor seiner drohenden Abschiebung an seinen Schnürsenkeln. Drei Tage später sollte er nach Abgeschoben werden.

* 28. Mai 1999: Aamir Ageeb aus dem Sudan wird bei seiner abschiebung kurz nach dem Start auf dem Rhein-Main-Flughafen von BGS-Beamten erstickt.

- Kleine Anfrage

In einer Antwort der Landesregierung Brandenburg auf eine Kleine Anfrage der PDS heißt es: »(…) Aufgrund der baulichen Ausstattung der besonders gesicherten Hafträume in vier Vollzugsanstalten des Landes Brandenburg [besteht] die Möglichkeit, Gefangene in der vom europäischen Anti-Folter-Ausschuß (CPT) in seinem Bericht vom 6. Juli 2001 gerügten Form zu fesseln. Im Zusammenhang mit dem vorgenannten Bericht sind daher im Jahre 2002 die Leiter der Justizvollzugsanstalten auf diese Rüge und das in der Abschiebehafteinrichtung zur Anwendung gebrachte Bandagensystem sowie auf dessen Beschaffung hingewiesen worden. In den vorgenannten vier Vollzugsanstalten ist daraufhin – mit einer Ausnahme – das Bandagensystem beschafft worden. (…) Soweit noch Fixierungsmöglichkeiten in den besonders gesicherten Hafträumen vorhanden sind, werden diese kurzfristig beseitigt.« (Drs. 4/120).

Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/02-17/013.php
(Veröffentlichung mit Erlaubnis des Autors)

Michal Stachura | 17.02.05 10:34 | Permalink