« Dollar auf dem Rückzug? | Hauptseite | Deutsche Bank: 1 Milliarde Euro Gewinn im 3. Quartal 2004 »

Ist Warschaus Verzichtserklärung auf deutsche Reparationen unauffindbar?

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.10.2004 weiß in Sachen "deutsch-polnische Freundschaft" Neues zu berichten:

"Seit es diese bösen Töne gibt zwischen Warschau und Berlin, seit deutsche Vertriebene Restitutionsklagen gegen Polen richten und das polnische Parlament im Gegenzug Miene macht, von Deutschland Reparationen für die Kosten des Weltkriegs zu verlangen, hatte man in Berlin immer wieder wie auf ein letztes Refugium auf dieses Dokument verwiesen: die Verzichtserklärung vom 23. August 1953, worin die kommunistische Regierung in Warschau alle Reparationsforderungen gegen Deutschland aufgegeben hatte."

Nur ist diese Verzichtserklärung die die Volksrepublik Polen gegenüber dem "Bruderstaat" DDR vor 51 Jahren abgab leider nicht auffindbar.

"Die Kollegen vom Archiv des Auswärtigen Amtes also machten sich auf, um für alle Fälle die Papiere parat zu haben. Sie sahen nach in den eingelagerten Beständen des DDR-Außenministeriums, sie sahen nach in den Parteiakten der SED. Doch fündig wurden sie nicht."

Auch die Polen sahen nach - wieder nichts. "'Unglücklicherweise ist die Kopie des Dokuments, welches die Regierung der DDR über die Entscheidung der Volksrepublik Polen informierte, nicht in den Archiven des Außenministeriums verblieben', schrieb der Minister (Außenminister, Wlodzimierz Czimoszewicz, OST:BLOG). 'Die Suche danach ist noch im Gange.' Möglicherweise liege das Papier anderswo. In Berlin nichts, in Warschau einstweilen auch nichts. Die polnische Verzichtserklärung, ein Grundstein der deutschen Rechtsposition im Reparationenstreit, ist nicht aufzufinden. Verschollen im Untergang der DDR? Vernichtet in den Reißwölfen der Wendejahre?" Der polnische Abgeordnete Macierewicz hat da eine andere Erklärung: "Es gibt keinen echten Verzicht eines unabhängigen polnischen Staates auf Reparationen von Deutschland." Und "Die Sowjetunion, damals noch allmächtig im Osten des Kontinents, hatte beschlossen, die von Krieg und Demontage zerstörte DDR zum ideologisch-wirtschaftlichen Konkurrenten Westdeutschlands hochzurüsten. Alles, was dem entgegenstand - und damit eben auch die Reparationsansprüche Polens -, mußte weichen; Ministerpräsident Bierut aber, ohnehin seit den zwanziger Jahren Agent des Sowjet-Geheimdienstes NKWD, mußte gehorchen. Hat er gehorcht? Macierewicz will nicht ausschließen, daß bei allem Kadergehorsam jener Jahre das Fehlen der polnischen Verzichtserklärung ein verstohlener 'Akt des Widerstandes' gegen Moskau gewesen sein mag. 'Möglicherweise gibt es gar keine polnische Erklärung, sondern nur eine Anweisung aus Moskau. Vielleicht ist eine simple Pressemeldung alles, was wir haben.' "

Quelle:
Konrad Schuller, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2004, Nr. 254 / Seite 4

A.S.H. | 30.10.04 18:03 | Permalink