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Ausstellung

optimistic
disease
facility
boris lurie, new york - buchenwald
eine ausstellung von naomi tereza salmon

7. Mai – 20. Juni 2004 Di – So 14 – 19 Uhr
Eintritt frei

[Pressemitteilung]
Eine Ausstellungsübernahme von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Bitte beachten Sie auch die Rahmenveranstaltungen zur „Rolle der Kunst in der Erinnerungskultur“ auf der Rückseite.

Mit dieser konzeptuell sehr klar strukturierten Ausstellung der 1965 in Israel geborenen und seit vielen Jahren in Deutschland lebenden Künstlerin Naomi Tereza Salmon knüpft das Haus am Kleistpark in zweifacher Weise an seine mittlerweile schon traditionsreiche Auseinandersetzung mit der Erinnerung an die Vertreibung und systematischen Ermordung der europäischen Juden an. Naomi Tereza Salmon gehört zur jungen Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die sich auf ihre sehr eigene Weise mit Geschichte und Erinnerung an den Holocaust beschäftigt. Pathosfrei aber mit einem starken emotionalen Ausdruck konzentriert sich Salmon in dieser Ausstellung auf Werk und Leben von Boris Lurie, einem Überlebenden, der seine Erfahrungen wiederum in beispielloser Weise zum Thema von Bildender Kunst und Poetik macht. Vor 9 Jahren stellte das Haus am Kleistpark in Zusammenarbeit mit der NGBK das bildnerische Werk von Boris Lurie vor, während in den NGBK-Räumen in Kreuzberg die Werke, der von ihm begründeten NO!art-Bewegung zu sehen waren. Das bildnerische und hierzulande immer noch relativ unbekannte Œuvre von Lurie ist ein einzigartiges Zeugnis einer radikalen politischen Thematisierung, die sich jeglicher Katharsis verweigert.

In dieser Ausstellung treffen also zwei Künstler aufeinander, deren Biografien und Werke kaum unterschiedlicher sein könnten. Boris Lurie, 1924 in Leningrad geboren und in Riga aufgewachsen, überlebte mit seinem Vater sowohl das Rigaer Ghetto und mehrere Konzentrationslager, während die Mutter, eine Schwester und die Großmutter bei den "großen Aktionen" am 29. November und
8. Dezember 1941 bei den Kiefernwäldern in Rumbula ermordet wurden. Die Befreiung durch die Amerikaner erlebten Boris und Ilja Lurie in Magdeburg, in einem Außenlager des KZ Buchenwald. Nach dem Krieg übersiedelten beide in die USA, wo Lurie seit dem in New York City lebt und dort Ende der fünfziger Jahre die radikale Kunstbewegung NO!art als Gegenbewegung zur Pop-Art gründete. Er machte seine Erinnerungen als Überlebender zum Thema und stellt sie in einen aktuellen Alltagskontext aus Werbung, Pornografie und Politik. Mit einer harten und kontrastierenden

Ästhetik, die nicht harmonisiert, sondern Widersprüche polarisierend aufeinander treffen lässt, collagiert er Greuelfotos mit Pin-ups, kombiniert sie mit anderen Materialien zu Assemblagen, um sie anschließend auch noch zu übermalen. Seine Werke waren 1995 hier im Haus in einer monografischen Ausstellung zu sehen und haben viele Besucher nachhaltig beeindruckt und in ihrer Radikalität verstört. In der aktuellen Ausstellung ist Lurie mit seinen sprachkünstlerischen Arbeiten in Schrift und Ton präsent, seine Bilder können von einer CD-Rom abgerufen werden.
Naomi Tereza Salmon, die 1965 in Israel geboren wurde und seit vielen Jahren in Deutschland lebt, lernte Boris Lurie anlässlich dessen Ausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald 1998 kennen. Fasziniert von Person, Werk und Biografie reiste sie mehrfach nach New York, um Lurie in dessen Wohnung und Studio aufzusuchen. In ihren fotografischen Arbeiten hat Naomi Tereza Salmon bisher häufig Fundstücke und Objekte darauf hin befragt, in wie weit den Dingen selbst ein Gedächtnis innewohnt und vom Betrachter in den seriellen Arbeiten gelesen werden kann. Ihre fotografischen "Stilleben" aus Luries collagierter Lebenswelt, machen deutlich, wie stark Lurie von Versatzstücken seiner Erinnerung umgeben ist. In ihrer hier gezeigten Arbeit konfrontiert Salmon ihre Fotografien mit den Gedichten Luries, die unaufhörlich um das Erlebte und sein Erinnern kreisen. Mit expressiver Kameraführung entstand ein poetisches und sehr persönliches Portrait von Lurie, das zugleich Ausdruck der Erinnerungsform einer jüngeren Künstlergeneration ist.

Biografie
Naomi Tereza Salmon

1965 in Jerusalem, Israel geboren. Studium der Fotografie am Hadassa College, Jerusalem. Lebt und arbeitet in Deutschland. Kombiniert in ihre Arbeit Fotografie, Video und Ton-Installationen, und Computerbasierte Bildsequenzen. Gewinnerin des Sharett Foundation Stipendiums 1990. Arbeitsstipendium für Bildende Kunst des Freistaats Thüringen 2000. Teilnahme an mehrere Ausstellungen; Publikationen & Wettbewerben zum Thema Erinnerung in Europa, Israel, Japan und den USA. Teilnahme an dem Moving workshop Non-Silk Way durch Kazachstan in 2001. Gast-Dozentin im MFA graduate Seminar der Fakultät Gestaltung der Bauhaus Universität in
Weimar 2003/4. Arbeitet als Freischaffende Kuratorin und für den unabhängigen Lokalsender
‚Radio Lotte’ als Beiratsmitglied und Co-Moderatorin. Seit 2003 Mitglied der ‚Raste’ Gruppe, in Weimar.

Rahmenveranstaltungen
Do. 27. Mai 19 Uhr:

Künstlergespräch mit Naomi Tereza Salmon über ihre künstlerischen Projekte

Do. 10. Juni 19 Uhr:
Lurie und die NO!art Gruppe - oder von der aufklärerischen Funktion des Zynismus
Gespräch mit Georg Bussmann, em. Professor für Zeitgenössische Kunst an der
Gesamthochschule Kassel

Do. 17 Juni 19 Uhr:
Die Rolle der Kunst bei der Konstruktion der kollektiven Erinnerung
Gespräch mit Harald Welzer, Autor des Buches "Opa war kein Nazi"
und Professor am Kulturwissenschaftlichen Institut des Wissenschaftszentrums
Nordrhein-Westfalen, Essen. Schwerpunkt: Erinnerungsforschung

Veranstaltungsort:
HAUS am KLEISTPARK
Grunewaldstr. 6-7
10823 Berlin
Tel.: 030-7560-6964
7. Mai bis 20. Juni Di.-So. 14.00-19.00 Uhr - Eintritt frei -
Gruppen und Schulklassen mit Anmeldung auch vormittags
Führungen: sonntags 15.00 Uhr
e-mail: hausamkleistpark-berlin@t-online.de
www.hausamkleistpark-berlin.de
Das Katalog-Buch "Boris Lurie. Geschriebigtes. Gedichtigtes. NO!art in Buchenwald",
Stuttgart 2003, Eckhart Holzboog Verlag ist für 24,- € in der Ausstellung zu erwerben.

A.S.H. | 19.05.04 13:39 | Permalink